2011 — Ausstellung mit Briefen aus der Sammlung Prinzhorn
Briefe der Sammlung Prinzhorn: „Vor allen Dingen bitte ich, mich doch ja nicht zu vergessen“
„Vor allen Dingen bitte ich, mich doch ja nicht zu vergessen“, so lautet der vielsagende Titel der Ausstellung, die im Rahmen der 625-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg am 19. Juni 2011 in der Heidelberger Peterskirche eröffnet wurde und bis zum 24. Juli 2011 zu sehen war. Den Auftakt der feierlichen Eröffnung bildete der Universitätsgottesdienst mit Prof. Dr. Johannes Eurich und Pfarrer Dr. Hans-Georg Ulrichs zum Thema „Weisheit im Leiden“. Im Anschluss an den Gottesdienst war die Vernissage, zu der nach Grußworten von Prof. Dr. Helmut Schwier für die Universitätskirche und Prof. Dr. Jochen Tröger für das Rektorat der Universität Frau Prof. Dr. Karin Tebben und drei Studierende in Konzeption, Umfeld und Präsentation der Ausstellung einführten.
Gezeigt wurden ausgewählte Briefe von psychisch kranken Menschen, die in der Sammlung Prinzhorn beheimatet sind. Sie entstanden zwischen 1880 und 1920 in psychiatrischen Anstalten in Deutschland. In den Nachkriegsjahren des Ersten Weltkriegs begann der Kunsthistoriker und Arzt Hans Prinzhorn (1886–1933) künstlerische Zeugnisse aus verschiedenen Kliniken zusammenzutragen. Die Krankenakten, die ihm zu diesem Zweck zugingen, enthielten auch persönliche Briefe der Patienten, die aber ihre Adressaten nie erreichten. Bis heute werden diese in der Sammlung verwahrt und liefern vielschichtige Einblicke in Schicksale, Denken und Empfinden der Anstaltsinsassen.
Die vom Germanistischen Seminar Heidelberg konzipierte Ausstellung ist das Ergebnis des interdisziplinären Projekts „Briefe der Sammlung Prinzhorn“ unter der Leitung von Prof. Dr. Karin Tebben. Die weitgehend noch nie gezeigten Briefe gewähren schonungslose Einsichten in das streng reglementierte Anstaltsleben um 1900 und legen die alltäglichen Nöte, Wünsche und Bedürfnisse der Patienten offen: der häufige Mangel an Lebens- und Genussmitteln, unwürdige Behandlungsmethoden und Gewalt, aber auch Themen wie Religion und Sexualität werden angesprochen. Gerichtet sind die Briefe an die Familie oder an Obrigkeiten. Neben Bitt- und Liebesbriefen finden sich auch Drohbriefe und alarmierende Hilferufe. Jeder Einzelne verfolgt unterschiedliche Strategien der Bewältigung seiner Situation. Gemeinsames Kennzeichen ist aber der Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit und die inständige Bitte, als sozial Ausgeschlossene in der Anstalt nicht vergessen zu werden. Die Ausstellung will dieser Bitte nachkommen.
Die Peterskirche als Ausstellungsort wurde bewusst gewählt, um den zum Teil sehr persönlichen Briefen einen schützenden Raum zu bieten und den nötigen Respekt gegenüber den privaten Einzelschicksalen zu wahren.
Zur Ausstellung erschien ein Begleitheft.
Koordination und Konzeption:
Prof. Dr. Karin Tebben, Gregor Babelotzky, Moritz Barske, Bastian Blakowski, Kristina Götz, Katharina Grünke, Sebastian Hitz, Simona Hurst, Sabine Kargl, Florian Kastner, Agnes Kutzowitz, Ralf Mende, Philomena Münch, Gwendoline Oehler, Samira Santak, Janina Schmidt, Esther Schuster, Anastassia Weber, Gianna Wulf, Fabian Zimmer